Neue Vortrags- und Gesprächsreihe:
Dr. Henne und Gäste

Veranstaltung des UNESCO Club Joachimsthal gemeinsam mit dem Informationszentrum des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin "Blumberger Mühle" - NABU

 

Der UNESCO Club Joachimsthal konnte in Kooperation mit dem Informationszentrum "Blumberger Mühle" in Angermünde eine neue Vortrags- und Gesprächsreihe zu den Themen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen zu praktischen Fragen und Problemen einer nachhaltigen Entwicklung in Umwelt, Wirtschaft und Kultur ins Leben rufen. Gastgeber und Moderator ist der Vorsitzende des UNESCO Clubs Joachimsthal Dr. Eberhard Henne.

Die Ankündigungen der Veranstaltungen sind immer  hier  zu finden.

 

vortrag-Robischon

Im Gespräch mit Prof. Dr. Marcel Robischon zum Thema:  „Von unserer Landschaft leben - aber wie?“ im Dezember 2016, im Bild vorn rechts: Dr. Eberhard Henne.

 

Informationen zu den bisherigen Vortrags- und Gesprächsrunden:

 

"Zu Besuch bei alten Bäumen" am 13. Januar 2017    
mit 
Wolfgang Sibora      

 

Am Nachmittag des Freitag, am 13. Januar fand im NABU-Erlebniszentrum Blumberger Mühle eine weitere Veranstaltung der Reihe "Dr. Henne & Gäste" statt. Diese gemeinsam mit dem UNESCO-Club des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin im Erlebniszentrum laufende Vortragsreihe bietet monatlich wechselnde Themen an, die dem Grundgedanken "Mensch und Biosphäre" verpflichtet sind.

Fast vierzig Menschen waren trotz der unsicheren Wetterlage gekommen, um im kleinen Seminarraum des Zentrums den Bilder-Vortrag von Wolfgang Sibora zu sehen, Thema diesmal: Alte Bäume.

Wolfgang Sibora, der seine Berufslaufbahn als Maschinenbauingenieur begann, hat schon vor Jahren konsequent die Richtung gewechselt und folgt heute einer Neigung, die in der Kindheit als tiefe Naturliebe begann. Der knapp Sechzigjährige widmet sich dem Thema der alten Bäume unserer Welt in außerordentlicher Gründlichkeit und arbeitet mit an der landesweiten Erfassung alter Bäume (wwwbaumkunde.de).

Nach einer kurzen Rückschau des Gastgebers Eberhard Henne in vergangene DDR-Zeiten und den oft gedankenlosen Umgang mit alten Bäumen damals wie heute begann der Referent eine opulente Bilderschau auf Bäume in aller Welt, deren hohes Alter und charaktervolles Aussehen die Zuschauer in ihren Bann zogen. Der Vortrag führte auf andere Kontinente, zeigte die Ehrfurcht gebietenden riesigen Mammutbäume, zeigte viele hundert Jahre alte, windgekrümmte Wacholderbäume auf den kanarischen Inseln, uralte Olivenhaine, deren Bäume Gesichter tragen. Er zeigte Baumveteranen, verstreut in ganz Deutschland, die schon zu Zeiten Karls des Großen ihre Wurzeln in die Erde gesenkt hatten, Tanzlinden, Gerichtslinden, Süntelbuchen, Dorfeichen und noch vieles an regionalen Besonderheiten wie die berühmten Ivenacker Eichen, die jeder kennt. Die ästhetische Schönheit der alten Bäume in ihren deutlich von langem Leben und vielen Notzeiten oder Verletzungen geprägten Gestalten rührte die Gäste spürbar an, kaum fiel ein Wort während des mehr als anderthalbstündigen Vortrags.

Auch in unserer eigenen Region fand der Autor solche Naturdenkmale, die Silkebuche der Schorfheide, die alte Feldulme in Sommerfelde, die sonderbar verwachsene Sommerlinde auf dem Pehlitzwerder.

Klar wurde aber: Es wird kaum ein Baum so alt wie die vorgestellten Patriarchen. Sibora machte klar, dass in der heutigen Bewirtschaftung der Forsten durch den Menschen fast kein Baum sein natürliches Lebensalter erreicht, alle werden bei erreichter Hiebsreife mit 120 bis höchstens 160 Jahren geerntet und genutzt. Die Einstellung zu Bäumen hat einen grundlegenden Wandel erfahren. Waren sie früher in der Vorstellungswelt der Menschen oft von Göttern bewohnte Wesen, denen man opferte, sie verehrte, sind sie heute Nutzholz und dienen uns in vielfacher Weise.

Und doch gibt es diese außerordentlichen Zeitzeugen noch, die aus den verschiedensten Gründen überlebten, verschont wurden, und noch immer wirken sie auf den Betrachter mit ihrem unerklärlichen Zauber. Wolfgang Sibora ist Naturfotograf und Baumverehrer, und er ist fest davon überzeugt, dass gerade die Zeiten überdauernde Bäume als lebende Wesen eine besondere Bedeutung für den Menschen haben. Inzwischen ansässig in der Uckermark, hat er noch längst nicht alle Baumveteranen entdeckt, die es hier noch immer gibt. In den nutzungsfreien Kernzonen des Biosphärenreservates stehen viele, die auf dem Weg dahin sind, solche geheimnisvollen Baumriesen zu werden, so dass auch wir den Nachfahren solche Denkmale hinterlassen können.

Wolfgang Sibora schloss seinen faktenreichen Vortrag mit einem Ausspruch von Hermann Hesse: "Wer gelernt hat, Bäumen zuzuhören, begehrt nichts zu sein, als was er ist."

Kontakt: 0152/33647081, Mail:

 

Beate Blahy

 

 
„Von unserer Landschaft leben - aber wie?“
am 16. Dezember 2016
mit Buchautor und Hochschulprofessor Marcel Robischon

 

„Keiner unserer Lehramts-Absolventen wird nach dem Studium arbeitslos“, versicherte Prof. Dr. Marcel Robischon vom Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften. Stattdessen rufen auch schon mal Schulen beim Institut an und fragen nach Absolventen.

 

„Von unserer Landschaft leben - aber wie?“ ist nicht nur eine wichtige Frage für die Absolventen der Humboldt-Universität Berlin, zu der das Institut gehört, sondern auch für viele Uckermärker. Deshalb war es auch das Thema für das Dezember-Gespräch „Dr. Henne & Gäste“ im NABU-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle. Die monatlich stattfindende Reihe lädt Fachleute ein, zu aktuellen Problemen und Fragen kurze Vorträge zu halten und im Anschluss daran unter der Moderation von Dr. Eberhard Henne (bis 2009 Vorstandsvorsitzender von EUROPARC Deutschland) mit dem Publikum zu diskutieren.

Bauernhöfe sterben, die Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft geht kontinuierlich zurück, nicht jedoch die Zahl der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Das sind durch die Agrarindustrie beförderte Prozesse. Der gemeinsame wirtschaftliche Anteil von Land- und Forstwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt beträgt nur 0,6 %, was - gemessen an der Bedeutung der Landwirtschaft für unser Leben - verschwindend gering ist. In unmittelbarer Nachbarschaft des Albrecht Daniel Thaer-Instituts sitzt der Bauernverband Deutschlands. „Wir arbeiten eng zusammen“, sagt Robischon, denn der Bauernverband macht sich ebenso Sorgen um den Nachwuchs und ist an der Ausbildung guter Lehrkräfte stark interessiert.“

Marcel Robischon hat Forstwirtschaft studiert, promovierte in Biologie und lebte der Forschung halber jahrelang in England und Kalifornien. Er veröffentlichte mehrere Bücher, sie handeln vom „Planet der Insekten“ oder „Vom Verstummen der Welt". Er beschreibt die Zerstörung unseres biologischen und damit kulturellen Reichtums an Arten und Sprachen und ihren Ersatz durch das Monotone. Ameisen kennen keinen Stau in ihren von Einwohnern wimmelnden Riesenstädten, Bäume zeigen mit ihren Verzweigungsmuster Wege für die Tragfähigkeit von Bauteilen, Zugvögel dienen Seefahrern und Entdeckern als "Landfindevögel" und sind Rettung in schwierigen Situationen auf See oder in Wüstengebieten - mit diesen Tieren verschwindet das Wissen, das sie uns lehren können. Ebenso verschwindet ein großer Teil auch unserer Kulturgeschichte.

Doch wir müssen gar nicht so weit weg gehen. Angermünde und Umgebung waren früher ein traditionelles Trappengebiet, erzählt Robischon. Trappen sind am Boden lebende, flugunfähige Vögel und deshalb leichte Jagdbeute. Frauen meldeten gesichtete Tiere beim Steinelesen auf den Feldern, dann kamen die Männer getarnt hinter Pferden und erlegten sie. Die schlauen Trappen wussten deshalb: Zweibeiner mit Stöcken sind gefährlich, Lebenwesen mit weiten Röcken nicht. Deshalb tarnten sich Männer bei ihrer Jagd gern auch mal in Frauenkleidern. 1994 wurde die letzte Trappe hier in der Region gesichtet. Mit jedem Tier, jeder Pflanze verlieren unwiderbringlich ganze Erinnerungsmuster und verspielen leichtfertig Chancen auf ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur.

Vielfalt bedeutet für uns alle vor allem Sicherheit. Was monoton ist, wird instabil, da es Schwankungen nicht mehr von sich aus ausgleichen kann. In der weltweiten Landwirtschaft gibt es zahlreiche Beispiele, wo aus monotoner Bewirtschaftung Missernten und Hungersnöte entstanden, während der Kartoffelfäule in Irland um 1850 verhungerten 1,5 Millionen Menschen.

Marcel Robischon fragt: Sollte unsere Landwirtschaft nicht ruhig wieder kleinteiliger und vielfältiger werden, sollten wir, statt die Märkte mit monotonen Produkten zu überschwemmen, nicht auf Mannigfaltigkeit und eine breite Palette an geernteten Produkten setzen? Die globale Wirtschaftskrise vor einigen Jahren spürten zwar die großen Konzerne und Unternehmen, nicht aber die vielen kleinen Händler in Bangladesh, die unabhängig und eigenständig wirtschafteten und ihren Markt vor Ort hatten.

Genau an dieser Forderung nach Vielfalt und Stabilität setzt die ökologische Landwirtschaft an, die sich als notwendiger Gegenentwurf zur Agrarindustrie versteht. Eine ökologische Landwirtschaft lebt aus sich selbst heraus, sie versteht die Kreisläufe der Natur und weiß sie zu nutzen. Dieses Wissen ist die „hohe Schule“, die es wieder zu erlernen gilt. Von den alten Bauern, die mit den Händen in den Boden griffen oder gar vom Boden kosteten um dessen Qualität zu prüfen und nicht ihre Felder vom Trecker herab begutachteten. In ihrem Wissen spielen Zeit und Kreislaufdenken eine zentrale Rolle. Viele moderne Landwirte seien sich heute über die Konsequenzen ihres Tuns nicht mehr klar, kommentierte eine Frau aus dem Publikum, sie brächten in die natürlichen Kreisläufe immer mehr synthetische Stoffe ein, die in unserer Nahrungskette landen. Die über die Nahrungsaufnahme provozierten Krebserkrankungen würden nicht ohne Grund immer mehr ansteigen.

„Wir müssen die Landwirtschaft wieder wie ein Lebewesen sehen und behandeln“, meinte Marcel Robischon. Alles in der Natur tauscht untereinander Informationen aus, nicht nur wir Menschen.

Marcel Robischon möchte diese Gedanken an seine Studenten weitergeben, die später Lehrer werden sollen. Denn Lehrer sind wichtige Multiplikatoren. Dass andere Bundesländer hier ebenfalls bereits weiterdenken, zeigt Hessen, wo zukünftig in allen landwirtschaftlichen Berufsschulen das Fach Ökolandbau gelehrt werden soll.

Zu den am Fachgebiet Fachdidaktik Agrar- und Gartenbauwissenschaften durchgeführten Projekten gehört aktuell ein Vorhaben, das unter dem Thema „IGA Workcamps Grüne Berufe“ auf der Internationalen Gartenausstellung (IGA) Berlin 2017 mit erwarteten rund 2,4 Millionen Besuchern eine Orientierungshilfe für die grünen Berufe anbieten wird.

Nachhaltigkeit, so resümierte Dr. Eberhard Henne, sei kein Begriff, sondern es ist ein Prozess. „Wenn man ihn leben will, muss man ihn erst erlernen.“ Kluge Politik bedeute nicht nur, der Landwirtschaft regelmäßig Subventionen zu gewähren, sondern sie erfordere auch eine ständige Auseinandersetzung mit der Landwirtschaft. Dabei haben wir Verbraucher eine nicht zu unterschätzende Macht, denn wir kaufen schließlich die Produkte.

 

Cornelia Jentzsch